Endlich, nach vielen Jahren und guten Vorsätzen, habe ich mit meinem Mach2 – Partner und Fliegerkollegen Nathan Hildebrand, das leider viel zu wenig bekannte Österreichische Luftfahrtmuseum in Graz-Thalerhof besucht. Es muss hier angemerkt werden, dass der Österreicher im Speziellen ein eher merkwürdiges und seltsames Verständnis zur eigenen Geschichte und somit auch zu Museen hat, und daher die meisten Besucher des Luftfahrtmuseums aus dem Ausland kommen…
Für mich wurde auch ein schon langes geplantes Treffen mit meinem alten Fliegerkameraden und Tarockpartner Oberst i.R. Hermann Wagner, der zu den Gründungsmitgliedern des Museums gehört, endlich Wirklichkeit. Wir haben uns seit meinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst als Kampfpilot leider nur sehr selten gesehen. Unter der fachkundigen Führung von Hermann konnten wir interessante und unvergessliche Stunden zwischen den teilweise seltenen Exponaten verbringen und auch tolle Bilder und Videos machen.
Es stehen dort übrigens auch Flugzeuge, welche ich selbst während meiner aktiven Zeit als Kampfpilot der 2. Staffel des Überwachungsgeschwaders noch geflogen bin. Der Saab 35-Ö „Draken“ und seine zweisitzige Trainerversion der Saab Sk-35C, wahrscheinlich das anspruchsvollste Flugzeug das ich je gesteuert habe. So manche Erinnerungen an Überschallabschwünge über der Ostsee wurden beim Anblick des alten „Cäsars“ wieder wach.
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Capt. Fritz Fuszko (links) mit Oberst i.R. Hermann Wagner (Gründungsmitglied des Museums). Beide sind Kampfjets im österreichischen Bundesheer geflogen.
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Oberst i.R. Hermann Wagner (Bild links), Capt. Fritz Fuszko (Mitte) und Capt. Nathan Hildebrand (Rechts)
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Piloten unter sich: Oberst i.R. Hermann Wagner (Bild links), Kapitän Fritz Fuszko (Mitte) und Kapitän Nathan Hildebrand (Rechts)
Technische Details und trockene Daten während eines Museumsbesuches sind eine Sache, dazu dann noch die Geschichten und Zeitzeugenberichte von einem der Wenigen, die noch die Saab J-29 „Tonne“ geflogen sind, zu erleben, gibt dem Ganzen eine ganz besondere Note.
Alle Geschichten hier aufzuzählen würde fast schon ein eigenes Buch füllen, das der Hermann ja ohnehin geschrieben hat, und auch den Rahmen dieses Berichts völlig sprengen würde.
Einige Erzählungen, die mittlerweile viele Jahre zurückliegen, haben uns jedoch besonders bewegt. Den Ausstieg mit dem Schleudersitz aus der Saab 105 von Hermann durften wir in allen Details gleichsam hautnah miterleben. Es gibt ja leider nur mehr sehr wenige Zeitzeugen, die solche Extremsituationen erlebt haben. Im Rahmen der Umschulung auf das neue Flugzeug wurde damals auch das „Trudeln“ geübt. Man bringt die Maschine absichtlich in einen überzogenen Flugzustand, die Strömung an den Tragflächen reißt abrupt ab, und der Flieger kippt schlagartig in eine Richtung weg.
Mit speziellen Steuerausschlägen kann man das Trudeln ausleiten und die Maschine wieder abfangen, wobei man allerdings einiges an Höhe verliert. Unglücklicherweise kippte die 105 mit Hermann am Steuer in ein Rückentrudeln. Das Unangenehme dabei ist, dass man mit einer negativen Belastung von minus 3G in den Gurten hängt.
Die österreichische Version der Saab 105 hatte in dieser Situation noch den zusätzlichen Nachteil, dass der noch angeströmte Teil des Seitenruders von den beiden VOR Antennen abgeschattet wurde, was bedeutet, dass der Zustand des Rückentrudelns nicht mehr beendet werden kann. Hermann Wagner erinnert sich: „Irgendwie hatte ich sofort das Gefühl, dass ich heute zu Fuß nach Hause gehen muss“. Beim Unterschreiten der Sicherheitshöhe gab der Fluglehrer den Befehl: „Hermann, STEIG AUS!“ Ich löse den Sitz aus und mein nächster Gedanke ist: „Sch…, das funktioniert nicht!“ Dann baumelte Hermann bereits am Fallschirm, durch den brutalen Ausstieg mit dem Schleudersitz mit 22 G war er kurz bewusstlos. 22 G bedeuten, dass ein Mensch mit 70 kg kurzfristig an die 1,5 Tonnen wiegt und der gesamte Bewegungsapparat, besonders natürlich die Wirbelsäule, extrem gestaucht wird.
Fritz Fuszko ist Langstrecken-Kapitän auf der Boeing 767, CRM-Trainer bei Austrian Airlines, Lehrerberechtigter für Linienpiloten (ATPL) und Gründungspartner von „Mach 2 – Aviation Experts“. In seiner mehr als 30-jährigen Laufbahn bei Austrian Air Services, Cross Air, Lauda Air und Austrian Airlines flog er unterschiedliche Flugzeugtypen sowohl auf Langstrecke (Boeing 777, 767), als auch auf Kurzstrecke (Boeing 737, Fokker 50). Seine Karriere begann er auf den Kampfjets Saab-Draken und Saab-105.
Nathan Hildebrand ist Linienpilot, zertifizierter CRM Trainer, Fluglehrer und Gründungspartner von „Mach 2 – Aviation Experts“. In seiner mehr als 30-jährigen Karriere als Pilot in der Zivilluftfahrt ist er für die Fluglinien Emirates Airline, Lauda Air, Crossair, Tyrolean Airways und Austrian Air Services die Flugzeugtypen Airbus 380, 340, 330, Boeing 777, 767, 737 und Fokker 50 geflogen. Als Kapitän und Ausbildner war er 17 Jahre lang in Dubai für Emirates Airline tätig und maßgeblich am weltweit größten Airbus 380 Trainingsprogramm beteiligt.
Hermann Wagner durchlief seine fliegerische Grundausbildung in der Fluggruppe VII und gehörte damit bereits zur neuen Nachkriegs-Generation von Fliegern der Österreichischen Luftstreitkräfte, die nicht mehr bei der Deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg gedient hatten. Er hat somit seine gesamte Ausbildung vom Rekruten bis zum Jabo-Piloten beim Bundeheer absolviert. Die von ihm verfasste Biographie dokumentiert nicht nur die Entwicklung der Luftstreitkräfte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern bringt zahlreiche spannende Episoden aus dem Alltag einer kleinen Fliegerelite.
Der arme Hermann war nach seinem Ausstieg gemessene vier Zentimeter kürzer! Oder auch die Schilderung des Unfalls einer Saab J29, die während eines Überfluges vor einer Schulklasse zu tief kam und in die angrenzenden Baumwipfel krachte, wobei der Pilot ums Leben kam. Die Militärfliegerei hat leider auch ihre Schattenseiten! Die Vision von MACH2: „Von Piloten lernen“ erinnert mich auch an den Wahlspruch am Ende des Buches von Hermann Wagner:
„Lerne aus Fehlern anderer. Du wirst nicht lange genug leben, um sie alle selber machen zu können. Und Du könntest schon beim ersten Versuch sterben“. – aus Hermann Wagner, „Nicht nur Fliegergeschichten. Als Jabo-Pilot beim Bundesheer“, ÖFH Sonderband
Einblicke in die Fliegerei eben, wie sie nur wenigen Auserwählten vergönnt sind und einige hundert Fotos durften wir mit nach Hause nehmen. Wir bedanken uns bei Oberst Hermann Wagner für den einzigartigen Tag und wünschen ihm weiterhin alles Gute, Gesundheit und die Motivation vielleicht noch ein Buch zu schreiben.
Das Museum: Das Österreichische Luftfahrtmuseum ist in der Zeit vom 1. Mai bis 26. Oktober an Sonn- und Feiertagen geöffnet.
E-Mail: luftfahrt-museum@gmx.at
Tel. +43 (0) 677 621 832 90
http://www.luftfahrtmuseum.at